Regierungserklärung des Bundeskanzlers Olaf Scholz zur Situation in der Ukraine vom 27.02.2022

Olaf Scholz Bild: @Susie Knoll

Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres
Kontinents. Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin
kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen. Aus einem einzigen Grund:
Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes
Unterdrückungsregime infrage. Das ist menschenverachtend. Das ist
völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.
Die schrecklichen Bilder aus Kiew, Charkiw, Odessa und Mariupol zeigen die
ganze Skrupellosigkeit Putins. Die himmelschreiende Ungerechtigkeit, der
Schmerz der Ukrainerinnen und Ukrainer – sie gehen uns allen sehr nahe. Ich
weiß genau, welche Fragen sich die Bürgerinnen und Bürger in diesen Tagen
abends am Küchentisch stellen. Welche Sorgen sie umtreiben – angesichts der
furchtbaren Nachrichten aus dem Krieg. Viele von uns haben noch die
Erzählungen unserer Eltern oder Großeltern im Ohr vom Krieg. Und für die
Jüngeren ist es kaum fassbar: Krieg in Europa. Viele von ihnen verleihen ihrem
Entsetzen Ausdruck – überall im Land, auch hier in Berlin.
Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht
mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf. Ob wir es Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die
Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts. Oder ob wir die Kraft aufbringen,
Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen. Das setzt eigene Stärke voraus. Ja,
wir wollen und wir werden unsere Freiheit, unsere Demokratie und unseren
Wohlstand sichern.
Und ich bin Ihnen, Frau Präsidentin, sehr dankbar, dass ich die Vorstellungen
der Bundesregierung dazu heute in dieser Sondersitzung mit Ihnen teilen kann.
Und auch den Vorsitzenden aller demokratischen Fraktionen dieses Hauses
danke ich dafür, dass Sie diese Sitzung unterstützt haben.
Meine Damen und Herren, mit dem Überfall auf die Ukraine will Putin nicht
nur ein unabhängiges Land von der Weltkarte tilgen. Er zertrümmert die
europäische Sicherheitsordnung, wie sie seit der Schlussakte von Helsinki fast
ein halbes Jahrhundert Bestand hatte. Er stellt sich auch ins Abseits der
gesamten internationalen Staatengemeinschaft.
Weltweit haben unsere Botschaften in den vergangenen Tagen gemeinsam mit
Frankreich dafür geworben, die russische Aggression im Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen als das zu benennen, was sie ist: ein infamer
Völkerrechtsbruch. Und wenn man sich das Ergebnis der Sicherheitsratssitzung
in New York anschaut, durchaus mit Erfolg. Die Beratungen haben gezeigt: Wir
stehen keineswegs allein in unserem Einsatz für den Frieden. Wir werden ihn
fortsetzen, mit aller Kraft. Dafür, was sie dort zustande gebracht hat, bin ich
Außenministerin Baerbock sehr dankbar. Nur mit der Notbremse seines Vetos
konnte Moskau – immerhin ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates – die
eigene Verurteilung verhindern. Was für eine Schande!

Präsident Putin redet dabei stets von unteilbarer Sicherheit. Tatsächlich aber
will er gerade den Kontinent mit Waffengewalt in altbekannte Einflusssphären
teilen. Das hat Folgen für die Sicherheit in Europa. Ja, dauerhaft ist Sicherheit in
Europa nicht gegen Russland möglich. Auf absehbare Zeit aber gefährdet Putin
diese Sicherheit. Das muss klar ausgesprochen werden. Wir nehmen die
Herausforderung an, vor die die Zeit uns gestellt hat – nüchtern und
entschlossen.
Fünf Handlungsaufträge liegen nun vor uns. Erstens: Wir müssen die Ukraine
in dieser verzweifelten Lage unterstützen. Das haben wir auch in den
vergangenen Wochen, Monaten und Jahren in großem Umfang getan. Aber mit
dem Überfall auf die Ukraine sind wir in einer neuen Zeit. In Kiew, Charkiw,
Odessa und Mariupol verteidigen die Menschen nicht nur ihre Heimat. Sie
kämpfen für Freiheit und ihre Demokratie. Für Werte, die wir mit ihnen teilen.
Als Demokratinnen und Demokraten, als Europäerinnen und Europäer stehen
wir an ihrer Seite – auf der richtigen Seite der Geschichte.
Am Donnerstag hat Präsident Putin mit seinem Überfall auf die Ukraine eine
neue Realität geschaffen. Diese neue Realität erfordert eine klare Antwort. Wir
haben sie gegeben. Wie Sie wissen, haben wir gestern entschieden, dass
Deutschland der Ukraine Waffen zur Verteidigung des Landes liefern wird. Auf
Putins Aggression konnte es keine andere Antwort geben.
Krieg wird sich als „Katastrophe für Russland erweisen“
Meine Damen und Herren, unser zweiter Handlungsauftrag ist: Putin von
seinem Kriegskurs abzubringen. Der Krieg ist eine Katastrophe für die Ukraine.
Aber: Der Krieg wird sich auch als Katastrophe für Russland erweisen.
Gemeinsam mit den EU-Staats- und Regierungschefs haben wir ein
Sanktionspaket von bisher ungekanntem Ausmaß verabschiedet. Wir
schneiden russische Banken und Staatsunternehmen von der Finanzierung ab.
Wir verhindern den Export von Zukunftstechnologie nach Russland. Wir
nehmen die Oligarchen und ihre Geldanlagen in der EU ins Visier. Hinzu
kommen die Strafmaßnahmen gegen Putin und Personen in seinem direkten
Umfeld und Einschränkungen bei der Visavergabe für russische Offizielle. Und
wir schließen wichtige russische Banken vom Banken-Kommunikationsnetz
Swift aus. Darauf haben wir uns gestern mit den Staats- und Regierungschefs
der wirtschaftlich stärksten Demokratien und der EU verständigt.
Machen wir uns nichts vor: Putin wird seinen Kurs nicht über Nacht ändern.
Doch schon sehr bald wird die russische Führung spüren, welch hohen Preis sie
bezahlt. Allein in der letzten Woche haben russische Börsenwerte um über 30
Prozent nachgegeben. Das zeigt: Unsere Sanktionen wirken. Und wir behalten
uns weitere Sanktionen vor, ohne irgendwelche Denkverbote.

Unsere Richtschnur bleibt die Frage: Was trifft die Verantwortlichen am
härtesten? Die, um die es geht. Und nicht das russische Volk. Denn Putin, nicht
das russische Volk hat sich für den Krieg entschieden. Deshalb gehört es
deutlich ausgesprochen: Dieser Krieg ist Putins Krieg. Die Differenzierung ist
mir wichtig. Denn die Aussöhnung zwischen Deutschen und Russen nach dem
Zweiten Weltkrieg ist und bleibt ein wichtiges Kapitel unserer gemeinsamen
Geschichte.
Und ich weiß, wie schwierig zu ertragen die derzeitige Situation gerade für die
vielen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ist, die in der Ukraine oder in
Russland geboren sind. Darum werden wir nicht zulassen, dass dieser Konflikt
zwischen Putin und der freien Welt zum Aufreißen alter Wunden und zu neuen
Verwerfungen führt.
Und noch etwas sollten wir nicht vergessen: In vielen russischen Städten
haben Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Tagen gegen Putins Krieg
protestiert, haben Verhaftung und Bestrafung in Kauf genommen. Das erfordert
großen Mut und große Tapferkeit!
Deutschland steht heute an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer. Unsere
Gedanken und unser Mitgefühl gelten heute den Opfern des russischen
Angriffskriegs. Und genauso stehen wir an der Seite all jener in Russland, die
Putins Machtapparat mutig die Stirn bieten und seinen Krieg gegen die Ukraine
ablehnen. Wir wissen, sie sind viele. Ihnen allen sage ich: Geben Sie nicht auf!
Ich bin ganz sicher: Freiheit, Toleranz und Menschenrechte werden sich auch in
Russland durchsetzen.
Scholz bekennt sich zur Beistandspflicht der Nato
Meine Damen und Herren, die dritte große Herausforderung liegt darin zu
verhindern, dass Putins Krieg auf andere Länder in Europa übergreift. Das
bedeutet: Ohne Wenn und Aber stehen wir zu unserer Beistandspflicht in der
Nato. Das habe ich auch unseren Alliierten in Mittel- und Osteuropa gesagt, die
sich um ihre Sicherheit sorgen.
Präsident Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, gemeinsam
mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets zu verteidigen.
Wir meinen das sehr ernst. Mit der Aufnahme eines Landes in die Nato ist
unser Wille als Bündnispartner verbunden, dieses Land zu verteidigen. Und
zwar so wie uns selbst.
Die Bundeswehr hat ihre Unterstützung für die östlichen Bündnispartner
bereits ausgeweitet und wird das weiter tun. Für dieses wichtige Signal danke
ich der Bundesverteidigungsministerin. In Litauen, wo wir den Einsatzverband
der Nato führen, haben wir unsere Truppe aufgestockt. Unseren Einsatz beim Air Policing in Rumänien haben wir verlängert und ausgeweitet. Wir wollen
uns am Aufbau einer neuen Nato-Einheit in der Slowakei beteiligen. Unsere
Marine hilft mit zusätzlichen Schiffen bei der Sicherung von Nord- und Ostsee
und im Mittelmeer. Und wir sind bereit, uns mit Luftabwehrraketen auch an
der Verteidigung des Luftraums unserer Alliierten in Osteuropa zu beteiligen.
Unsere Soldatinnen und Soldaten haben in den vergangenen Tagen oft nur
wenig Zeit gehabt, sich auf diese Einsätze vorzubereiten. Ich sage ihnen und
sicher auch in Ihrem Namen: danke. Danke (…) für Ihren wichtigen Dienst –
gerade in diesen Tagen. Meine Damen und Herren, angesichts der Zeitenwende, die Putins Aggression
bedeutet, lautet unser Maßstab: Was für die Sicherung des Friedens in Europa
gebraucht wird, das wird getan. Deutschland wird dazu seinen solidarischen
Beitrag leisten. Das heute klar und unmissverständlich festzuhalten, reicht aber
nicht aus. Denn dafür braucht die Bundeswehr neue, starke Fähigkeiten.
Und das ist mein viertes Anliegen, meine Damen und Herren. Wer Putins
historisierende Abhandlungen liest, wer seine öffentliche Kriegserklärung an
die Ukraine im Fernsehen gesehen hat, oder wer – wie ich – kürzlich persönlich
mit ihm stundenlang gesprochen hat, der kann keinen Zweifel mehr haben:
Putin will ein russisches Imperium errichten. Er will die Verhältnisse in Europa
nach seinen Vorstellungen grundlegend neu ordnen. Und dabei schreckt er
nicht zurück vor militärischer Gewalt. Das sehen wir heute in der Ukraine.
Wir müssen uns daher fragen: Welche Fähigkeiten besitzt Putins Russland? Und
welche Fähigkeiten brauchen wir, um dieser Bedrohung zu begegnen – heute
und in der Zukunft? Klar ist: Wir müssen deutlich mehr investieren in die
Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere
Demokratie zu schützen.
Das ist eine große nationale Kraftanstrengung. Das Ziel ist eine leistungsfähige,
hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt. Ich habe bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor einer Woche gesagt: Wir
brauchen Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen, und Soldatinnen
und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind. Darum geht es.
Und das ist ja wohl erreichbar für ein Land unserer Größe und unserer
Bedeutung in Europa. Aber machen wir uns nichts vor: Bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät,
mehr Personal – das kostet viel Geld. Wir werden dafür ein „Sondervermögen
Bundeswehr“ einrichten. Und ich bin Bundesfinanzminister Lindner sehr
dankbar für seine Unterstützung dabei. Der Bundeshaushalt 2022 wird dieses
Sondervermögen einmalig mit 100 Milliarden Euro ausstatten. Die Mittel
werden wir für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben nutzen. Wir
werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des
Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren. Und ich richte mich
hier an alle Fraktionen des Deutschen Bundestags: Lassen Sie uns das
Sondervermögen im Grundgesetz absichern.
Eines will ich hinzufügen: Wir streben dieses Ziel nicht nur an, weil wir bei
unseren Freunden und Alliierten im Wort stehen, unsere
Verteidigungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung
zu steigern. Wir tun dies auch für uns, für unsere eigene Sicherheit. Wohl
wissend, dass sich nicht alle Bedrohungen der Zukunft mit den Mitteln der
Bundeswehr einhegen lassen.
Deshalb brauchen wir eine starke Entwicklungszusammenarbeit. Deshalb
werden wir unsere Resilienz stärken – technisch und gesellschaftlich – zum
Beispiel gegen Cyberangriffe und Desinformationskampagnen; gegen Angriffe
auf unsere kritische Infrastruktur und Kommunikationswege.
Und wir werden technologisch auf der Höhe der Zeit bleiben. Darum ist es mir
zum Beispiel so wichtig, dass wir die nächste Generation von Kampfflugzeugen
und Panzern gemeinsam mit europäischen Partnern – und insbesondere
Frankreich – hier in Europa bauen. Diese Projekte haben oberste Priorität für
uns. Bis die neuen Flugzeuge einsatzbereit sind, werden wir den Eurofighter
gemeinsam weiterentwickeln.
Gut ist auch, dass die Verträge zur „Eurodrohne“ in dieser Woche endlich
unterzeichnet werden konnten. Auch die Anschaffung der bewaffneten HeronDrohne aus Israel treiben wir voran. Und für die nukleare Teilhabe werden wir rechtzeitig einen modernen Ersatz für die veralteten Tornado-Jets beschaffen.
Der Eurofighter soll zur Electronic warfare befähigt werden. Das Kampfflugzeug
F-35 kommt als Trägerflugzeug in Betracht.
Und schließlich, meine Damen und Herren, werden wir mehr tun, um eine
sichere Energieversorgung unseres Landes zu gewährleisten. Eine wichtige
Maßnahme dazu hat die Bundesregierung bereits auf den Weg gebracht. Und
wir werden umsteuern, um unsere Importabhängigkeit von einzelnen
Energielieferanten zu überwinden. Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen
haben uns doch gezeigt: Eine verantwortungsvolle, vorausschauende
Energiepolitik ist nicht nur entscheidend für unsere Wirtschaft und unser
Klima. Sondern entscheidend auch für unsere Sicherheit. Deshalb gilt: Je schneller wir den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben,
desto besser. Und wir sind auf dem richtigen Weg. Wir wollen als Industrieland
bis 2045 CO₂-neutral werden. Mit diesem Ziel vor Augen werden wir wichtige
Entscheidungen treffen müssen. Etwa, eine Kohle- und Gasreserve aufzubauen.
Wir haben beschlossen, die Speichermenge an Erdgas über sogenannte Long
Term Options um zwei Milliarden Kubikmeter zu erhöhen. Zudem werden wir –
rückgekoppelt mit der EU – zusätzliches Erdgas auf den Weltmärkten
erwerben.
Und schließlich haben wir die Entscheidung getroffen, zwei FlüssiggasTerminals, LNG-Terminals, in Brunsbüttel und Wilhelmshaven schnell zu
bauen. Bundeswirtschaftsminister Habeck möchte ich für seinen Einsatz dabei ganz ausdrücklich danken. Das, was nun kurzfristig notwendig ist, lässt sich
mit dem verbinden, was langfristig ohnehin gebraucht wird für den Erfolg der
Transformation. Ein LNG-Terminal, in dem wir heute Gas ankommen lassen,
kann morgen auch grünen Wasserstoff aufnehmen.
Und natürlich behalten wir bei alldem die hohen Energiepreise im Blick. Putins
Krieg hat sie zuletzt noch weiter steigen lassen. Deshalb haben wir in dieser
Woche ein Entlastungspaket vereinbart, mit der Abschaffung der EEG-Umlage
noch in diesem Jahr, einer Erhöhung der Pendlerpauschale, einem
Heizkostenzuschuss für Geringverdiener, Zuschüssen für Familien und
steuerlichen Entlastungen. Die Bundesregierung wird das schnell auf den Weg
bringen. Unsere Botschaft ist klar: Wir lassen die Bürgerinnen und Bürger und
die Unternehmen in dieser Lage nicht allein. Meine Damen und Herren, die Zeitenwende trifft nicht nur unser Land. Sie trifft
ganz Europa. Und auch darin stecken Herausforderung und Chance zugleich.
Die Herausforderung besteht darin, die Souveränität der Europäischen Union
nachhaltig und dauerhaft zu stärken. Die Chance liegt darin, dass wir die
Geschlossenheit wahren, die wir in den letzten Tagen unter Beweis gestellt
haben, Stichwort Sanktionspaket.
Für Deutschland und für alle anderen Mitgliedsländer der EU heißt das, nicht
bloß zu fragen, was man für das eigene Land in Brüssel herausholen kann.
Sondern zu fragen: Was ist das Beste, was ist die beste Entscheidung für die
Union? Europa ist unser Handlungsrahmen. Nur, wenn wir das begreifen,
werden wir vor den Herausforderungen unserer Zeit bestehen.
Und damit bin ich beim fünften und letzten Punkt: Putins Krieg bedeutet eine
Zäsur auch für unsere Außenpolitik. So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv
zu sein – dieser Anspruch bleibt. Nicht naiv zu sein, das bedeutet aber auch:
kein Reden, um des Redens willen. Für echten Dialog braucht es die
Bereitschaft dazu auf beiden Seiten. Daran mangelt es aufseiten Putins ganz
offensichtlich, und das nicht erst in den letzten Tagen und Wochen.
Was heißt das für die Zukunft? Wir werden uns Gesprächen mit Russland nicht
verweigern. Auch in dieser extremen Lage ist es die Aufgabe der Diplomatie,
Gesprächskanäle offenzuhalten. Alles andere halte ich für unverantwortlich. Meine Damen und Herren, wir wissen, wofür wir einstehen – auch angesichts
unserer eigenen Geschichte. Wir stehen ein für den Frieden in Europa. Wir werden uns nie abfinden mit Gewalt als Mittel der Politik. Wir werden uns
immer stark machen für die friedliche Lösung von Konflikten. Und wir werden
nicht ruhen, bis der Frieden in Europa gesichert ist.
Und dabei stehen wir nicht allein, sondern zusammen mit unseren Freunden
und Partnern in Europa und weltweit. Unsere größte Stärke sind unsere
Bündnisse und Allianzen. Ihnen verdanken wir das große Glück, das unser
Land seit über 30 Jahren genießt: in einem vereinten Land zu leben, in
Wohlstand und Frieden mit unseren Nachbarn.
Wenn wir wollen, dass diese letzten 30 Jahre keine historische Ausnahme
bleiben, dann müssen wir alles tun für den Zusammenhalt der Europäischen
Union, für die Stärke der Nato, für noch engere Beziehungen zu unseren
Freunden, Partnern und Gleichgesinnten weltweit. Ich bin voller Zuversicht,
dass uns das gelingt. Denn selten waren wir und unsere Partner so
entschlossen und so geschlossen.
Uns eint in diesen Tagen: Wir wissen um die Stärke freier Demokratien. Wir
wissen: Was von einem breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens
getragen wird, das hat Bestand – auch in dieser Zeitenwende und darüber
hinaus. Und deshalb danke ich Ihnen und allen Fraktionen dieses Hauses, die
den russischen Überfall auf die Ukraine entschieden als das verurteilt haben,
was er ist: ein durch nichts zu rechtfertigender Angriff auf ein unabhängiges
Land, auf die Friedensordnung in Europa und in der Welt. Der heutige
Entschließungsantrag bringt das klar zum Ausdruck.
Ich danke allen, die in diesen Tagen Zeichen setzen gegen Putins Krieg. Und die
sich hier in Berlin und anderswo zu friedlichen Kundgebungen versammeln.
Und ich danke allen, die in diesen Zeiten mit uns einstehen für ein freies und
offenes, gerechtes und friedliches Europa. Wir werden es verteidigen.