Lesebuch zur Geschichte der Sozialdemokratie im Kreis Mettmann

SPD-Kreisgeschäftsführer Peter Zwilling, Kreisvorsitzende Kerstin Griese und Ex-MdB Uwe Holtz bei der BuchvorstellungDer damalige UB-Vorsitzenden Siegfried Bangert mit Willy Brandt

Im nächsten Jahr ist es 150 Jahre her, dass Ferdinand Lassalle in Leipzig den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein (ADAV) gründete und damit die erste organisierte sozialdemokratische Partei entstand. Ferdinand Lassalle war in den 1850er Jahren als Rechtsanwalt im Schloss Kalkum bei der Gräfin Hatzfeld angestellt und als Agitator in Düsseldorf, dem Angerland und im Bergischen unterwegs. Von den Anfängen der Arbeiterbewegung bis zur Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück schlägt das jetzt erschienene „Lesebuch zur Geschichte der Sozialdemokratie“ einen historischen Bogen durch den Kreis Mettmann. Denn mit Ferdinand Lassalle begann auch der lange Weg der SPD im hier im Kreis.
Kerstin Griese und Peter Zwilling haben jetzt gemeinsam mit einer historischen Kommission der Kreis-SPD aus ehrenamtlichen Historikern ein umfängliches Werk zur Geschichte der SPD im Kreis und in den Ortsvereinen vorgelegt. Der erste Ortsverein der SPD wurde 1867 in Neviges-Hardenberg gegründet, wie der ehemalige Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Uwe Holtz im Rahmen der Buchvorstellung bei Buchhändler Alexander Rüger in Mettmann erläutert.
In der historischen Kommission haben Vertreterinnen und Vertreter aus jedem Ortsverein und ehemalige Abgeordnete zwei Jahre zusammen gearbeitet. 24 Autoren haben die Geschichte der SPD zusammen getragen aus dem Kreis Mettmann und aus allen Ortsvereinen. Entstanden sind 15 Ortsvereinschroniken.
„Politik ist für Menschen und wird von Menschen gestaltet. Deshalb war es uns wichtig, dass ein biographischer Teil viel Raum im Buch einnimmt und wir die Lebensleistung vieler Menschen im Kreis Mettmann würdigen. So haben die Ortsvereine aus jeder Stadt und jeder Gemeinde drei bis vier aktive und besonders verdiente SozialdemokrateInnen ausgewählen und ihnen einen gesonderten Artikel gewidmet. 40 biografische Aufzeichnungen, teils in den Ortsvereinsartikeln, teils im biographischen Teil sind erarbeitet worden.
„Das Buch will und soll kein trockenes Geschichtsbuch sein, sonders es soll zum schmökern einladen. Es soll jungen Leuten Lust auf Geschichte machen. Viele Namen, die in den Städten bekannt sind, tauchen auf, Firmen und Straßen sind Orte von Geschichte, Gaststätten waren damals wie heute Tagungslokale. Geschichte wird vor Ort gemacht“, erläutert Peter Zwilling.
Im Buch finden sich 187 Bilder und Abbildungen, zumeist historische Fotos aber auch viele Zeitungsausschnitte. Das älteste Bild ist wohl eine Aufnahme von Friedrich Wilhelm Fritzsche, der 1868 für den Reichstag kandidierte, verfolgt wurde und später in die USA auswanderte. Das neueste Foto stammt vom letzten Landesparteitag mit Peer Steinbrück, als Kanzlerkandidat.
Auf dem Cover sind weitere 60 Bilder von SozialdemokratInnen , die für die SPD im Kreis und in den Städten wichtig waren. Wollte man allen gerecht werden, hätte man wahrscheinlich die doppelte Anzahl Bilder aufs Cover bringen müssen.
Hinzu kamen Biographien von Parteigrößen, die sich im Kreis Mettmann tummelten, hier kandidierten und hier unterwegs waren. Das waren Eigengewächse wie Klaus Hänsch aus Erkrath, Uwe Holtz aus Neviges und Regina Schmidt-Zadel aus Ratingen. Das waren aber auch politische Exporte, wie Manfred Lahnstein, der im Bund Karriere machte, nachdem er Hilfskassierer in der SPD Erkrath war und später unter Helmut Schmidt Finanzminister wurde. Und das waren politische Importe, von denen heute viele vergessen sind, wie Friedrich-Wilhelm Fritzsche und Wilhelm Dittmann, beide Reichstagsabgeordnete; andere aber sind für die Geschichte und Identität der Sozialdemokratie wichtig, wie Wilhelm Hasenclever (Gründer des Vorwärts) und Phillip Scheidemann, der 1918 die Republik ausgerufen hat und Rosa Luxemburg, die mit Wilhelm Liebknecht in Berlin ermordet wurde. Und natürlich Peer Steinbrück, dessen Kanzlerkandidatur in letzter Minute noch mit einem Artikel im Buch gewürdigt wurde.
Wir finden im Buch Geschichte, die von vielen längst vergessen ist, Geschichte von Ent-behrungen, von politischen Einstellungswechseln, Geschichte von Flucht und Verfolgung, Geschichte von Gefängnis, Folter und Konzentrationslagern. Von menschlichen Schicksalen, hier bei uns im Kreis Mettmann.
Aber wir finden auch Geschichte von Erfolgen, vom Aufbau, von Solidarität, von Zusammenleben und zusammen lernen für eine bessere Zukunft, von gemeinsamen Leben im Arbeitermillieu.
Wir finden Geschichte von gesellschaftlichen Umbrüchen, von Spaltungen und deren Auswirkungen auf politische Arbeit vor Ort, von SPD zu USPD und MSPD und und vom wieder zurückfinden.
Aber auch von Abspaltungen neueren Datums, wie die Entwicklung der neuen sozial Bewegungen in den 1970ern hin zu den Grünen und der Verlust vieler Mitglieder über die WASG zu den Linken. All das hat sich auch in unseren Städten im Kreis Mettmann im Kleinen wiederholt.
Aber auch von Sozialdemokratie als Sammlungsbewegung, die sich immer wieder neu orientieren musste, und sich neu auf die gesellschaftlichen Gegebenheiten einstellte.
Da war Ende des 19ten Jahrhunderts; nach dem Fall des Sozialstengesetzes ein großer Zustrom zur Sozialdemokratie, als im Kreis Mettmann die ersten Arbeiter in die Stadträte gewählt wurden und die Sozialdemokratie sich als Massenbewegung in jedem Orts des Kreises gründete, um die Lebens- und Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Gleichzeitig tobte in der SPD der Revisionismusstreit, der die Frage stellte, ob man einen parlamentarisch-demokratischen Weg wählen sollte oder ob ein revolutionärer Weg der gesellschaftlichen Veränderung besser sei.
Wichtig für die SPD vor Ort war nach dem 2. Weltkrieg der Parteitag 1959in Bad Godesberg: Im sog. Godesberger Programm wurde die Umorientierung von der reinen Arbeiterpartei zur Volkspartei beschlossen, das brachte viele neue Mitglieder. Die Politik Willy Brandt tat ein übriges. Die Partei wuchs im Kreis Mettmann von 2041Mitglieder im Jahre 1960 bis fast 6000 (5923) im Jahre 1977.
Seit 1990 werden die Parteimitglieder weniger – übrigens bei allen Volksparteien –.
Peter Zwilling: "Leider geht der Stellenwert von Politik zurück.Die politische Gestaltung unserer Städte und des Kreises bleibt jedoch auch für die Zukunft eine wichtige und notwendige Aufgabe. Hier entsteht die Demokratie."
Das Buch ist im Buchhandel zum Preis von 18,90 € zu erwerben.